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Hirtentäschelkraut - Bursae pastoris herba [DAC 2004]

Stammpflanze: Capsella bursa-pastoris (L.) MEDIK. / Gewöhnliches Hirtentäschel [Fam. Brassicaceae / Kreuzblütengewächse]. Synonyme: Thlaspi bursa-pastoris L. (Basionym). Weitere Synomyme sind Bursa pastoris WIGG., Capsella polymorpha CAV., Iberis bursa-pastoris CRANTZ, Lepidium bursa-pastoris (L.) WILLD., Nasturtium bursa-pastoris ROTH, Rodschiedia bursa-pastori GAERTN., Thlaspi polymorphum GILIB. Dt. Synonyme: Zu den unzähligen, meist regionalen und zudem heute nicht mehr gebräuchlichen deutschen Bezeichnungen zählen u. a. Bauernsenf, Bettseicher, Beutelschneider, Blutkraut, Frieselkraut, Gänsekresse, Geldbeutel, Geld-Seckeli, Gottesherz, Großes Hungerblümchen, Grützblume, Herzl, Hezkraut, Hirtensack, Hirtentasche, Hungerbrot, Johannisbrot, Klingeldöschen, Kummerblume, Löffelstiel, Paterkappe, Pfarrerkraut, Pinkelkraut, Säckel, Sackelkraut, Schäferkraut, Schäfertasche, Schinken, Seckeldieb, Seckelkrut, Taschenkraut, Teschelkraut, Tintefässer und Wangentaschen. Englisch: Mother's heart, Pickpurse, Sheperd's purse, Sheperd's sprout, shepherd's-purse, Toywort.

Botanische Beschreibung der Stammpflanze: Während des gesamten Jahres blühendes, einjähriges oder einjährig überwinterndes, 10 bis 70 cm hohes Kraut. Der einfachen, spindelförmigen Wurzel entspringt ein einzelner, aufrechter, im unteren Teil häufig zerstreut behaarter und ansonsten kahler Stengel. Dieser trägt nur wenige kleine, sitzende, ganzrandige und stark runzelig eingerollte Blätter. Die übrigen, in einer grundständigen Rosette angeordneten Blätter sind gestielt, fiederteilig bis ganzrandig und mit einzelnen 0,5 bis 1 mm langen einfachen Haaren und kleineren Sternhaaren besetzt. Die kleinen, 4 bis 6 mm langen weißen Blüten finden sich in einer oder mehreren langen Traube. Die Kelchblätter sind 1 bis 2 mm lang, die Kronblätter 2 bis 3 mm. Wie bei allen Kreuzblütengewächsen sind 4 lange und zwei kürzere Staubblätter vorhanden. Der oberständige Fruchtknoten weist bereits die typische Gestalt der Frucht auf. Die lang gestielten Schötchenfrüchte sind 4 bis 9 mm lang und etwa ebenso breit, kahl, flachgedrückt, dreieckig bis verkehrt herzförmig und an der Spitze schwach ausgerandet. Die Samen sind 0,8 bis 1 mm lang und rotbraun gefärbt.

Verbreitung: Die ursprüngliche Heimat des Hirtentäschels ist unbekannt. Heute ist die Art nahezu weltweit als Unkraut verbreitet. In Mitteleuropa findet man das Hirtentäschel bevorzugt an trockenen bis mäßig frischen Ruderalstellen, besonders auf Brachflächen, an Wegrändern und auf Schutt, sowie auf nährstoffreichen Äckern und in Gärten.

Droge: Die zur Blütezeit gesammelten, getrockneten, ganzen oder geschnittenen oberirdischen Teile von Capsella bursa-pastoris (L.) MEDIK.

Beschreibung der Droge: Die Stengel sind bis 3 mm dick, meist fein längs gerillt, rund oder kantig und hellgrau bis hellgrün. Die Blätter sind grün, wenig behaart oder unbehaart. Der Stengel trägt nur wenige kleinere, sitzende, den Stengel pfeilförmig umfassende, ganzrandige und stark eingerollte Blätter. Die Laubblätter der grundständigen Blattrosette sind länglich lanzettlich, fiederspaltig, buchtig gezähnt oder ganzrandig. Die Blüten befinden sich dicht gedrängt in einer Traube, die daher als Trugdolde erscheint. Sie sind gestielt und besitzen vier bis 4 mm breite, weiße Blütenblätter, die etwa doppelt so lang wie die Kelchblätter sind. Neben den Blüten tragen die Blütenstände bereits Früchte. Die zweifächrigen Schötchen sind 4 bis 6 mm lang, gestielt, verkehrt-herzförmig, grün bis hellgrün und haben einen deutlich erkennbaren Griffelrest (in der Abbildung in der Mitte links zu erkennen). Die Fruchtklappen sind häufig abgesprungen, so dass die weißhäutige falsche Scheidewand zwischen dem von den Rändern der zwei Fruchtblätter gebildeten Rahmen erkennbar ist. Die Samen sind etwa 1 mm lang, oval und rotbraun. Charakteristische Merkmale der Schnittdroge sind zahlreiche Stengelteile, die herzförmigen Schötchen und die vereinzelt vorkommenden Rahmen der Fruchtblätter mit den falschen Scheidewänden. Weiterhin finden sich Bruchstücke der Blätter.

Geruch und Geschmack: Geruch nur schwach vorhanden, jedoch unangenehm und recht charakteristisch. Geschmack scharf und bitter.

Synonyme Drogenbezeichnungen: Deutsch: Beutelschneiderkraut, Blutkraut, Herzelkraut, Säckelkraut, Täschelkraut. Englisch: Cocowort, Sheperd's purse herb. Lateinisch: Herba bursae pastoris; Herba Sanguinaria.

Herkunft: Aus der Sammlung von Wildvorkommen in Osteuropa. Hauptlieferländer sind Russland, Polen, Ungarn und Bulgarien.

Gewinnung der Droge: Die Pflanzen werden im Hochsommer gesammelt und anschließend möglichst schnell getrocknet.

Inhaltsstoffe: Flavonoide: Glykoside von Kämpferol, Luteolin, Diosmetin und Quercetin, darunter Rutin, Luteolin-7-rutinosid und Diosmin. Stickstoffhaltige Verbindungen: Der Gehalt an Aminosäuren und Proteinen beträgt angeblich ca. 32% der Trockensubstanz. Hauptkomponenten sind Prolin, Valin und Ornithin. Das Vorkommen der biogenen Amine (bis 1 % Cholin, Acetylcholin und Tyramin) ist umstritten. Organische Säuren: Chlorogensäure, Syringasäure, Vanillinsäure und  Fumarsäure. Sonstige BestandteileVitamin C, ß-Sitosterol, Triterpene nicht bekannter Struktur sowie große Mengen an Kalzium- und insbesondere Kalium-Salzen.

Wirkungen: Die Angaben zur Wirksamkeit der Droge sind widersprüchlich. Als gesichert gilt bei parenteraler Anwendung eine muskarinartige Wirkung mit Blutdrucksenkung in niedriger Dosierung und Blutdrucksteigerung in höherer Dosierung sowie eine Steigerung von Kontraktionskraft und Frequenz des Herzens. Weiterhin bewirkt die Droge eine Steigerung der Uteruskontraktion.

Anwendungsgebiete: Innerlich zur symptomatischen Behandlung leichterer Menorrhagien und Metrorrhagien. Äußerlich bei Nasenbluten sowie bei oberflächlichen, blutenden Hautverletzungen. Die genannten Anwendungsgebiete gehen auf die Erfahrungsheilkunde zurück.

Volkstümliche Anwendungsgebiete: Die Indikationen in der Volksheilkunde Mitteleuropas entsprechend den oben genannten. Weitere volkstümliche Anwendungsgebiete in anderen Regionen der Erde sind Kopfschmerzen, Blasenentzündungen sowie zur Anregung während der Geburt. Wirksamkeitsnachweise fehlen vollständig.

Gegenanzeigen: Keine bekannt.

Unerwünschte Wirkungen: Keine bekannt.

Wechselwirkungen mit anderen Mitteln: Keine bekannt.

Dosierung und Art der Anwendung: Soweit nicht anders verordnet beträgt die mittlere Tagesdosis bei innerlicher Anwendung 10–15 g Droge. Zur Behandlung von Menor- und Metrorrhagien wird ein Esslöffel Droge mit einer Tasse kochendem Wasser übergossen und nach 15 Minuten durch ein Teesieb gegeben. Der frisch bereitete Teeaufguss ist bis zu viermal täglich zwischen den Mahlzeiten zu trinken. Zur Herstellung von Umschlägen  3 bis 5 g Droge mit 150 ml siedendem Wasser übergießen und 15 Minuten ziehen lassen. Vor der Verwendung abkühlen lassen. Umschläge mehrmals täglich anwenden.

Sonstige Verwendung: In China dient die Pflanze als Gemüse und wird zu diesem Zwecke kultiviert.


Bilder:

Das selbst in den Wintermonaten an milderen Tagen blühende Hirtentäschel kann bis 70 cm hoch werden. Die Mehrzahl der Blätter sind in einer grundständigen Rosette angeordnet (s. Abbildung links oben). An den Blütenständen finden sich neben den weißen Blüten oft schon zahlreiche, lang gestielte Früchte  (s. Abbildung links unten). Die Blüten bestehen aus 4 oft rötlich überlaufenen Kelchblättern, 4 weißen Kronblättern, 4 längeren und zwei kürzeren Staubblättern sowie einem oberständigen Fruchtknoten (s. Abbildung rechts oben). Aus diesem entwickelt sich die unverwechselbare Frucht, deren Form mit Worten nur schwer zu beschreiben ist (flachgedrückt, verkehrt-herzförmig, an der Spitze ausgerandet; s. Abbildung rechts unten).


Literatur: Deutscher Arzneimittelcodex (DAC) 2004; Hager-ROM 2003, Springer-Verlag; Jäger EJ, Werner KW, Rothmaler - Exkursionsflora von Deutschland, Band 4, Gefäßpflanzen: Kritischer Band, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg Berlin 2002; Marzell H, Wörterbuch der Deutschen Pflanzennamen, Verlag S. Hirzel, Leipzig 1943; Monografie der Kommission E, Bundes-Anzeiger Nr. 173 vom 18.09.1986 und Nr. 50 vom 13.03.1990; Schilcher H, Kammerer S, Leitfaden Phytotherapie, Urban & Fischer, München Jena 2003; USDA, ARS, National Genetic Resources Program. Germplasm Resources Information Network - (GRIN) [Online Database]; Wichtl M (Hrsg.), Teedrogen und Phytopharmaka, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2002.


© Thomas Schöpke